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Ausstellungsanalyse – eine Kernkompetenz

Rückblick auf die Veranstaltung in Stuttgart, 17.-19. März 2023

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Rückblick auf die Veranstaltung in Stuttgart, 17.-19. März 2023

Eine Veranstaltung von museumdenken in Kooperation mit dem Württembergischen Kunstverein Stuttgart (WKV) / Shared Space #Glastrakt unter Mitwirkung von Renate Flagmeier (Berlin), Claudia Luxbacher (Stuttgart) und Roswitha Muttenthaler (Wien)

museumdenken lud vom 17.-19. März 2023 nach Stuttgart ein, um gemeinsam mit Interessierten intensiv über das Arbeitsfeld der Ausstellungsanalyse nachzudenken, zu diskutieren und anhand gezielter Ausstellungsbesuche, Ausstellungsanalyse in der Praxis anzuwenden.

Die Veranstaltung verfolgte das Ziel, unterschiedliche Perspektiven auf das Thema der Ausstellungsanalyse und ihrer Anwendung sichtbar zu machen: die wissenschaftlich-kuratorische, journalistische und gestalterische. Es ging darum, die Möglichkeiten und die Funktion analytischer museologischer Zugänge im Kontext der Ausstellungsarbeit zu besprechen.

Die Veranstaltung setzte sich aus drei Teilen zusammen: Den Einstieg bot eine Podiumsdiskussion zur Frage danach, wozu Ausstellungsanalyse in unterschiedlichen Arbeitsbereichen dient; es folgten mehrere Ausstellungsbesuche mit theoretischem Input und praktischen Übungen sowie eine Abschlussdiskussion darüber, inwiefern solche thematischen Veranstaltungen auch in Zukunft sinnvoll sein können – für museumdenken, aber auch für das breite Netzwerk an Museumsschaffenden und -interessierten.

Teilnehmer:innen im Foyer, Haus der Geschichte Baden-Württemberg; Foto: Claudia Luxbacher


Wozu Ausstellungen analysieren?

Unter der Moderation von Renate Flagmeier (ehem. Werkbundarchiv – Museum der Dinge, Berlin) kamen am Freitagabend im Württembergischen Kunstverein, Stuttgart vier Diskutant:innen zusammen, die in kurzen persönlichen Impulsen auf das Thema Ausstellungsanalyse, deren Rolle und Einfluss auf das jeweilige Arbeitsfeld sowie die Chancen und Herausforderungen blickten.

Gestalterin Kathrin Milic-Grunwald ist Assoziierte Partnerin im Stuttgarter Atelier Brückner, einem der größten Ausstellungsbüros Europas. Sie machte anhand einer Überblicks über die Arbeitsprozesse deutlich, dass Fragen und Instrumente der Ausstellungsanalyse vielfach als Grundlage oder Hilfsmittel innerhalb der Entwicklung neuer Ausstellungskonzepte sowie deren inhaltlicher wie gestalterischer Umsetzung und in der Kommunikation mit den Auftraggeber:innen dienen.

Kulturjournalistin Adrienne Braun aus Stuttgart gab Einblick in die sich zwischen Journalistin und Kulturinstitution durchaus unterscheidende Auffassung davon, was Kulturjournalismus und damit folglich auch Ausstellungskritik sei und welche Rolle ihnen heute noch gesellschaftlich zukommen. Wie unabhängig könne man noch über Ausstellungen berichten und diese analysieren, wenn doch vielfach die ausstellenden Institutionen das Narrativ vorgäben – immer auch geknüpft an bestimme Erwartungen?

Kurator Markus Seidel, der das Museum für Alltagskultur in Waldenbuch leitet, eine Zweigstelle das Landesmuseum Württemberg, berichtete auf nahbare Weise von eigenen ‚schmerzlichen‘ Erfahrungen mit Ausstellungskritik. Diese machten ihm die Wichtigkeit der Ausstellungsanalyse deutlich – auch als verbindendes Element zwischen unterschiedlichen Prozessbeteiligten. Anlass genug, mit seinem Team zusammen heute immer wieder in Ausstellungen zu gehen, über diese zu reflektieren und eine gemeinsame Sprache zu entwickeln, die dann in den gemeinsamen Denkprozess bei eigenen Projekten mit einfließen kann.

Der Museologe Guido Fackler beschrieb eine aus seiner Sicht positive Entwicklung der Ausstellungsanalyse – gerade auch im Kontext der universitären Ausbildung. Hier würde sich nicht nur eine Sensibilisierung für besondere Themen, wie etwa den Umgang mit Kulturgut aus der Kolonialzeit, entwickeln, es böte sich auch viel Raum, um sich methodisch auszuprobieren, aufgeschlossen für ein sich stetig änderndes Ausstellungsverständnis.

Podiumsdiskussion im WKV Stuttgart; Foto: Claudia Luxbacher

Die anschließende Diskussion griff viele Aspekte der Impulsvorträge auf und warf grundlegende Fragen auf, die sich die Macher:innen von Ausstellungen stellen sollten – und das doch vielleicht nicht immer tun: Warum sollte ein Thema überhaupt als Ausstellung verhandelt werden? Für welches Publikum wird die Ausstellung entwickelt? Was und wie wird ein Thema umgesetzt? All das ist letztlich auch verbunden mit der generellen Frage: Warum machen wir Museum?

Eingehend wurde diskutiert, inwiefern generiertes Wissen über Ausstellungen auch zu einer höheren Professionalität führe, etwa in den durch die Podiumsvertreter:innen repräsentierten Arbeitsfeldern. Hier zeigte sich mit Blick auf die USA oder das UK, dass dort durch eine differenziertere und weniger hierarchische? Herangehensweise bereits seit längerem eine Annäherung zwischen den verschiedenen Arbeitsfeldern in der Institution Museum ermöglicht werde. Die Kommunikation untereinander habe sich verbessert, insbesondere wenn es darum geht, akkumuliertes Wissen im Kollegium zu teilen. Wie kann das auch im deutschsprachigen Kulturbereich umgesetzt und mehr Vertrauen zueinander entwickelt werden? Wie lassen sich Deutungshoheiten aufbrechen? Und welche strukturellen Probleme offenbaren sich dabei?

Daran anknüpfend wurde ebenfalls über die derzeitige Ausbildung und den Einsatz von Volontär:innen in Museen gesprochen. Zeigen sich hier ebenfalls strukturelle Probleme des Systems? Nichtsdestotrotz: die neue Generation an Kulturschaffenden inner- wie außerhalb von Museen steht für eine inhaltliche wie strukturelle Öffnung.

Teilnehmer:innen nach der Diskussionsrunde, WKV Stuttgart; Foto: Anika Reichwald


Wie Ausstellungen analysieren? – Praxisübungen in Stuttgarter Museen

Der zweite Veranstaltungstag startete im Haus der Geschichte Baden-Württemberg, wo die Teilnehmer:innen die Dauerausstellung „Der deutsche Südwesten von 1790 bis heute“ besuchten. Roswitha Muttenthaler führte in die „semantische Ausstellungsanalyse“ ein, bei der sie zunächst die Einzelaspekte einer Ausstellung betrachtet, etwa die Raumsituation, die Lichtverhältnisse, die Objekte und ihre Inszenierung etc., und im Anschluss diese Gestaltungselemente sowie ihre eigenen Eindrücke mittels semantischer Wortfelder beschreibt. Dieses Stimmungsbild der einzelnen Ausstellungsbestandteile führt Muttenthaler dann zu einer Analyse zusammen – ähnlich wie sich einzelner Wörter und ihre Bedeutung in einem Satz zusammenfügen. Spielraum für diese Form der Ausstellungsanalyse bot insbesondere der Eingangsbereich zur Dauerausstellung mit einer interaktiven Bodenkarte Baden-Württembergs und zugehörigen digitalen Informationsfeldern sowie der Aufgang, der als barocke Prunkstiege inszeniert ist und den Aufstieg von Baden und Württembergs unter Napoleon inszeniert.

Teilnehmer:innen im Haus der Geschichte Baden-Württemberg; Foto: Anika Reichwald

Die Ausstellungsräume zum Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie der direkten Nachkriegszeit boten Gelegenheit für die Teilnehmer:innen, in Gruppen in die eigene Ausstellungsanalyse einzusteigen. Die von Roswitha Muttenthaler vorgestellte Herangehensweise wurde in der Praxis angewandt. Dabei wurde vielfach deutlich, wie wichtig ein geschärfter Blick auf die unterschiedlichen, zusammengehörenden Bestandteile einer Ausstellung ist. Darüber hinaus gestaltete sich der Versuch, Gesehenes in Wortpaaren oder -feldern zu beschreiben, als äußerst fruchtbar. Es eröffneten sich viele neue sprachliche Zugangsweisen im Kontext der Ausstellungsanalyse – man denke etwa an Raumbeschreibungen wie hell/dunkel/düster/leuchtend/erleuchtet oder auch warm/kalt/steril/klar/gemütlich/heimelig/angenehm u.v.m., um die Stimmung sprachlich einzufangen.

Dauerausstellung im Haus der Geschichte Baden-Württemberg

Den Nachmittag verbrachte die Gruppe im StadtPalais – Museum für Stuttgart, das erst vor fünf Jahren neu eröffnet wurde. In drei Gruppen, angeleitet durch eine Einführung und einen Fragenkatalog von Renate Flagmeier, analysierten die Teilnehmer:innen in der ständigen Ausstellung „Stuttgarter Stadtgeschichten“ unterschiedliche Ausstellungsaspekte wie den Raum, die Objekte sowie die Inszenierungselemente und die gegebene inhaltliche Kontextualisierung. Gemeinsam wurde auf diese Weise versucht, sich nicht nur die Dauerausstellung zur Stadtgeschichte und -entwicklung, sondern das gesamte Haus und Raumkonzept zu erschließen. Einmal mehr wurde dabei deutlich, dass es kaum möglich ist, innerhalb einer kurzen Zeit eine ganzheitliche Analyse einer Ausstellung zu leisten. Sich einem Teil der Ausstellung auf der Grundlage komplexer Fragestellungen intensiv zu widmen, förderte eine fruchtbare Auseinandersetzung (und Diskussionen in der Gruppe) – mit viel Potential für weitere Anknüpfungen.

Teilnehmer:innen am Beginn der Dauerausstellung im StadtPalais – Museum für Stuttgart; Foto: Anika Reichwald

Zum Abschluss besuchte die Gruppe die temporäre Ausstellung „Stadt voller Frauen“ im oberen Stock des StadtPalais. In einer schnellen Runde durch die Ausstellung sollten die Teilnehmer:innen ihren Eindrücken mittels Post-its Ausdruck verleihen: Irritation, Lustgewinn, Langeweile, Wissensgewinn waren die vier zu verteilenden Emotionen. Innerhalb von 20 Minuten klebten die durch den Rhythmuswechsel motivierten Teilnehmer:innen ihre verschieden farbigen Zettel auf Flächen und Möbel in der Ausstellung und markierten so ihr Stimmungsbild. Gemeinsam in der Gruppe wurden die individuellen Eindrücke diskutiert – und die angebrachten Post-its natürlich wieder entfernt.

Teilnehmer:innen in der Ausstellung "Stadt voller Frauen"; Foto: Claudia Luxbacher


Was kann und braucht Ausstellungsanalyse? – Feedback und Ausblick

Am Abend des zweiten Tages traf sich die Gruppe zu einer Abschlussdiskussion im WKV, um die Veranstaltung und die hinterlassenen Eindrücke aus den Museumsbesuchen und dem Analysevorgehen zu reflektieren. Dabei stand die Frage im Vordergrund, inwiefern und auf welche Weise die gewonnenen Erkenntnisse aus einer solchen Veranstaltung festgehalten und die Resultate einer breiten, interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen und können. Dazu wurden Ideen gesammelt. So steht die museumdenken-Webseite als Informationsportal auch in Zukunft nicht nur für Debatten um museumsrelevante Themen, sondern auch für eine Sammlung von Methoden und Praxisbeispielen der Ausstellungsanalyse zur Verfügung. Mit Spannung erwarten wir zudem das von Guido Fackler angekündigte Buch "Methoden der Ausstellungsanalyse", herausgegeben von Luise Reitstätter und Carla-Marinka Schorr, dessen Erscheinen für Anfang 2024 geplant ist.

Die Wichtigkeit und der Wunsch nach weiteren Veranstaltungen dieser Art wurde unterstrichen, möglicherweise mit anderen thematischen Schwerpunkten, wie Klassismus, Inklusion, Kolonialismus sowie Demokratie und Museum. Freiwillige haben sich gemeldet und mögliche Orte für die nächsten Veranstaltungen wurden benannt. Stay tuned…

Abschlussdiskussionen im WKV Stuttgart; Foto: Anika Reichwald


Wie analytische Ansätze in die eigene kuratorische, gestalterische, journalistische Arbeit integrieren?

Am Sonntagvormittag traf sich eine etwas reduzierte Gruppe von Teilnehmer:innen zu einem letzten optionalen Veranstaltungsteil im Museum für Alltagskultur in Waldenbuch bei Stuttgart. Dort stand der Besuch der temporären Mitmach-Ausstellung „Geht doch!“ im Fokus – ein Projekt mit vielen Partizipationsansätzen. Die Gruppe hat versucht, die am Vortag eingesetzten Analysetechniken beim Ausstellungsrundgang anzuwenden, genau zu beobachten und sprachlich zu fassen, warum, was, wie und für wen sowie von wem in Waldenbuch gearbeitet wurde.

Teilnehmer:innen in der Ausstellung "Geht doch!" im Museum für Alltagskultur, Waldenbuch; Foto: Anika Reichwald

Nachdenklich und motiviert, Gesehenes und Gehörtes einzuordnen und Neuerlerntes auch an anderen Orten anzuwenden oder sogar noch anzureichern, trennte sich die Gruppe nach knapp zweieinhalb inhaltlich dichten Tagen rund um die Ausstellungsanalyse.

museumdenken dankt allen beteiligten Organisator:innen, Orten und Aktiven für die Möglichkeit, diese Veranstaltung in Stuttgart gemeinsam durchgeführt zu haben; aber auch den interessierten Teilnehmer:innen für Ihren Enthusiasmus und Diskussionsfreudigkeit – und der Freude an Museen und Ausstellungen.


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Danke für deinen konstruktiven Kommentar

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